Thibault Joyeux dreht unter dem Namen Ed n‘ Robot Stopmotion-Videos mit kleinen Papierfiguren, arbeitet als Grafikdesigner und gibt Sommerkurse für Kinder. Abends sieht man den 36-jährigen Franzosen im Theatercafé hinter der Bar Drinks mixen. Was ihn nach Jena geführt hat und was er dem Bürgermeister gern mal sagen würde, erfahrt ihr in diesem Teil der smalltownfaces Stories.
Interview
Als wir uns zum Interview bei ihm zuhause treffen, empfängt mich Thibault schon mit einem fröhlichen „Salut“. Die Wohnung, die er sich mit seiner Freundin Jane teilt, ist ein sympathisches Sammelsurium aus Flohmarktschätzen, Coffee Table Büchern und Grünpflanzen.
Wir setzen uns an den Wohnzimmertisch aus den Sechzigern und Thibault brüht mir einen Kaffee. Während er hin und her wuselt, fangen wir an zu plaudern – auf Englisch. Sein Deutsch sei nach all den Jahren in Jena immer noch nicht besonders gut, entschuldigt er sich.
Woher kommst du ursprünglich?
Ich bin in Paris geboren und in einem kleinen Vorort aufgewachsen. Meine Eltern haben dort ein Häuschen, umgeben vom sozialen Wohnungsbau.
Dann hattest du also das komplette Großstadtprogramm?
Ja, tatsächlich. Unser Haus war eine kleine Oase, in den Blöcken war das Leben schon ein anderes. Aber es war gut. Man lernt mit allem umzugehen. Paris ist meine Heimat und eine wunderschöne Stadt. Wunderschöne Dinge haben immer auch tiefe Abgründe. Das gehört zusammen.
Wie ging es nach der Schule für dich weiter?
Ich habe zwei Dinge studiert, zum einen Grafikdesign und zum anderen Cinema Art. Nebenbei habe ich allerlei Jobs gehabt: in verschiedenen Fabriken, als Tourist Guide und auf dem Fischmarkt. Eigentlich habe ich alles gemacht, was Geld einbringt. Paris ist verdammt teuer und ich weiß jetzt, was harte Arbeit ist.
Warst du deswegen auf der Suche nach einer Kleinstadt zum Leben?
(lacht) Genau. Ich drehe Stopmotion-Videos und gebe auch Kurse darin. Vor ein paar Jahren wurde ich auf ein Kurzfilmfestival nach Weimar eingeladen, um dort einen Vortrag zu halten.
Am Abend hing ich dann immer an der Bar rum. Die Barfrau hat mich jeden Abend abgefüllt und nach einer Woche war ich dann nicht nur drunk sondern auch drunk on love.
Liebe und Likör haben dich also nach Jena geführt?
So war es. Das sind von allen Gründen auszuwandern auf jeden Fall die besten. In Paris habe ich ein paar Wochen Zeit gehabt, um meine Sachen zu packen. Danach bin ich zurück nach Jena zu Jane gefahren. Wir haben gesagt, lass es uns probieren.
Ich wollte ein Jahr bleiben, Urlaub und ein bisschen Party machen. Die Bubble hat mich eingeschlossen.
Et voilà- sechs Jahre später sitze ich immer noch hier.
Von der Großstadt in die Kleinstadt – was war für dich die größte Umstellung?
Gute Frage.
Ich wurde von Anfang an integriert. Alle Leute, die ich traf, öffneten ihre Arme für mich und ich habe mich sehr willkommen gefühlt. Es war wohl auch großes Glück, dass ich eine Gruppe an Menschen getroffen habe, die die selbe Idee vom Leben haben.
Das mit dem Deutsch-Sprechen klappt trotzdem nicht ganz so gut.
Woran liegt das?
Die Deutschen sind einfach zu nett. Jeder spricht Englisch. Selbst auf den kleinen Dörfern. Und wenn jemand mitbekommt, dass ich ein bisschen Schwierigkeiten habe, heißt es sofort: Let’s talk in English.
Die Mehrheit ist hier wirklich offen und tolerant.
Was ist für dich der größte Vorteil einer kleinen Stadt?
Ich brauche drei Minuten, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Das entschleunigt unheimlich. Jeder, der schon mal in einer Metropole war, weiß, wie nervig es ist von A nach B zu kommen. Das raubt soviel Lebenszeit. Das Leben in der Provinz ist besser, irgendwie sympathischer.
Versteh‘ mich nicht falsch, ich liebe Paris. Das ist meine Heimat. Aber im Ernst – was hat es mir zu bieten? Das Leben dort ist so teuer. Tausend Euro Miete für zwanzig Quadratmeter und die Heizung fällt trotzdem ständig aus.
Gibt es irgendetwas, das du vermisst?
Kultur.
Gute Museen, Ausstellungen.
An den Bürgermeister von Jena – wenn du das liest: Nimm Geld in die Hand, erhöhe das Budget und bring mehr Kunst und Kultur hierher. Es ist nicht genug. Bring frischen Wind rein und Veränderung.
Jena rühmt sich für seine hohe Akademikerdichte. Aber wenn man einen hohen Intellekt der Bevölkerung möchte, dann muss man den auch nähren.
Das Angebot ist nett, reicht aber bei Weitem nicht aus und es gibt wirklich viel Potenzial.
Welcher Ort in Jena zählt zu deinen Favoriten?
Ich liebe das Kino am Markt und den Schillerhof. Die haben ein tolles Programm. Das Kassa ist auch immer einen Besuch wert. Ich hoffe, es finden bald wieder Partys und Konzerte statt.
Ansonsten bin ich auch in meinem kleinen Garten zu finden. Von dort kann ich ganz Jena überblicken. Dann fühle ich mich immer wie ein Prinz und stelle mir vor, unser Planschbecken wäre ein Infinity Pool.
Unter dem Namen Ed n‘ Robot drehst du Stopmotion-Videos. Wie kamst du auf die Idee?
Ich habe damit vor ein paar Jahren angefangen. Nach der Schule war ich gelangweilt und begann zu experimentieren. Ich habe ein paar kleine Videos mit selbstgebastelten Papierfiguren gedreht. Aus Spaß habe ich ein Video für ein Festival eingesandt und das komplett vergessen.
Die Veranstalter riefen mich dann an und waren total begeistert. Viele haben mich nach den Figuren gefragt. Deshalb entwickelte ich eine kleine Marketingstrategie. So wie Disney – das Komplettpaket.
Hauptsächlich möchte ich aber etwas zurückgeben, Leute unterrichten und ihnen zeigen, wie das mit den Videos funktioniert. Ich gebe Sommerkurse für Kinder. Leider im Moment nur in Frankreich. Mein Deutsch ist noch nicht gut genug, um Kids hier in der Umgebung etwas beizubringen. Vielleicht klappt das irgendwann.
Du bleibst also noch ein Weilchen in Jena?
Man weiß nie, was als nächstes passiert. Aber ich fühle mich hier sehr wohl und kann es noch ein bisschen aushalten.
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